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Johan Frederik Hartle - Du musst dich entscheiden! Die Gameshow für Österreich- Volkstheater

Reizüberflutung pur: Umjubelte Premiere im Wiener Volkstheater zeigt, wie leicht wir zu unterhalten sind

 

Dröhnend laute Diskomusik empfängt die Besucher*innen von „Du musst dich entscheiden“ schon beim Einlass. Und genau so bleibt der ganze Abend: laut, bunt und schrill.

 

Brot und Spiele

Die Bühne des Volkstheaters wird zum modernen und über technisierten Fernsehstudio (Bühnenbild: Michael Sieberock-Serafimowitsch und Lichtdesign: Voxi Bärenklau), denn eine typische Samstagabendshow soll im TV gesendet werden. Kameras übertragen Livebilder auf Leinwände, die Teil des Bühnenbilds sind, zahlreiche Licht- und Showeffekte erinnern an über inszenierte Shows wie den Song Contest, in dem Musik schon lange nicht mehr die größte Rolle spielt. Als eine Mischung aus Michael Schanze und Thomas Gottschalk führt Moderator Tommy McDonald's (bunt und mitreißend: Elias Eilinghoff) gemeinsam mit seiner an Barbara Schöneberger erinnernden Kollegin Michelle Pelosi (herrlich komisch: Anke Zillich) durch den Abend, und erinnert uns daran, dass Menschen schon vor Jahrtausenden vor allem durch zwei Dinge ruhiggestellt wurden: Brot und Spiele.

 

Gelungene Parodie

Die sieben Kandidatinnen und Kandidaten der Show eifern um eine stolze Gewinnsumme von zwei Millionen Euro, aber es gewinnt nur, wer möglichst oft die Meinung der Mehrheit vertritt. Denn wer richtig steht, wenn das Licht angeht, bekommt als Belohnung Punkte in Form von Plastikbällen. Das Publikum darf mitentscheiden, mittels QR-Code kann man zu einer Vielzahl an Fragen seine Meinung abgeben und diese wird live ausgezählt. Ob es dabei immer mit rechten Dingen zugeht, vor allem wenn es heißt, die Wahlbeteiligung liege bei 100%, bleibt fraglich. Die Mehrheitsmeinung ist aber ohnehin wichtiger als die objektive Wahrheit. In Wissensfragen wird die richtige Antwort mit einem Punkt belohnt, die (falsche) Mehrheitsmeinung mit zweien. Dass die Parodie der Samstagabendshow gelingt und großteils unterhaltsam bleibt, dafür sorgen vor allem auch die Darsteller*innen der sieben Kandidat*innen: Sie verkörpern herrlich skurrile Charaktere, die trotz Überzeichnung authentisch bleiben und uns aus dem echten Leben irgendwie bekannt vorkommen.

 

Reizüberflutung

Was unter dem Deckmantel der Demokratieförderung für Unterhaltung sorgt, ist doch eher nur eine Illusion von Mitbestimmung. Wir werden zwar alle gefragt, aber Auswirkungen hat unsere Meinung eher keine. Außer, dass man sich freut, in einer Meinungs-Bubble unter sich zu sein: Mehrheits-Ergebnisse um die 70% bei drei Antwortmöglichkeiten sind keine Seltenheit. Dafür werden andere menschliche Bedürfnisse befriedigt: Schadenfreude, Realitätsflucht und Sensationsgeilheit. Die Inszenierung von Direktor Kay Voges, der gemeinsam mit Johan Frederik Hartle auch größtenteils für den Text verantwortlich ist, bleibt dabei aber, genau wie die Shows, die sie parodieren, leider auch ziemlich oberflächlich. Eine gelungene Auflösung vermisst man, stattdessen endet der Abend in einem an Möbelhäuser erinnernden Bällebad, indem üblicherweise Kinder ruhiggestellt werden, damit die Erwachsenen weiter dem Konsumwahn nachgehen können.

 

Fazit

Geduld und Sitzfleisch der Besucher*innen wird ganz schön auf die Probe gestellt, und wie wir es von Liveshows aus dem Fernsehen kennen, wird auch hier die angegebene Spieldauer von zweieinhalb Stunden ohne Pause gnadenlos überzogen. Bei all der Lautstärke, Buntheit und Spezialeffekte hat das eine ziemliche Reizüberflutung zur Folge und so mancher fühlt am Ende vielleicht mit den Schlussworten der Moderatorin mit: „Ich liebe das Theater. Ich kann nicht mehr.“

 

Autor: J.S.

 

FotoCredit: Marcel Urlaub

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