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Peter Turrini - Bis nächsten Freitag - Theater in der Josefstadt

Menschliche Sehnsüchte und Abgründe am buchstäblichen Ende der Welt

Im heruntergekommenen Lokal „Zur Tschechischen Botschaft“, irgendwo im Nirgendwo, treffen sich jeden Freitag die beiden ehemaligen Schulkollegen Richard und Werner. Sie sind sich fremd geworden, waren einander vielleicht nicht einmal in der Schulzeit wirklich nah, und sind dennoch irgendwie miteinander verbunden. Der eine, tiefgründiger Buchhändler mit einer Neigung zur Flucht in literarische Welten, kann nicht allein sein und stolpert von einer unerfüllten Beziehung in die nächste. Der andere, Dozent für Romanistik, ist ein ignoranter Verschwörungstheoretiker, der niemandem ein Glück gönnen kann und sich nur dann halbwegs gut fühlt, wenn er andere schlecht macht.

 

Über knapp zweieinhalb Stunden hört man den beiden Herren bei derben Stammtischgesprächen zu. Man erfährt ihre Sehnsüchte, Ängste, ihre Wut und fragwürdigen Weltanschauungen. Ungustl Werner lässt keinen Tabubruch aus, schimpft möglichst politisch unkorrekt über Frauen, Flüchtlinge, Homosexuelle und Genderdiversität und ist bekennender Trump - und Orban – Anhänger. Gekonnt wird die Doppelmoral der Menschen entlarvt, wenn Werner sich nach einer Schimpftirade über Homosexualität fast zu einem Kuss mit seinem ehemaligen Schulfreund hinreißen lässt. Ihm zuzuhören ist oft anstrengend, schwer zu ertragen, was er von sich gibt. Und bei manchem Lacher aus dem Publikum fragt man sich, ob er aus Verlegenheit oder ähnlicher Überzeugung kommt.

 

Das Lokal wird praktisch von niemandem sonst frequentiert. Die tschechische Kellnerin mit bewegter Lebensgeschichte ist ein erfrischender Kontrapunkt zu den beiden trübsinnigen Herren, sie ist bodenständig, pragmatisch und charmant. In ihr Lokal kommen nur von der Gesellschaft Verstoßene: den taubstummen „Peterchen“ hat sie bei sich aufgenommen und im dritten Akt feiert ein kleinwüchsiges Ehepaar dort Hochzeit. Zunehmend wird klarer, dass dies wohl ein metaphorischer Ort ist, an den nur Menschen kommen, deren Leben zu Ende geht.

 

Aussichtslose Schwere trifft Poesie und Lebensfreude

Die recht karge Inszenierung von Alexander Kubelka konzentriert sich auf die Figuren und lässt dennoch feine Personenregie vermissen. Erwin Steinhauer als Buchhändler Richard ist ehrlich, schlicht und voller Sehnsucht. Intendant Herbert Föttinger genießt die Darstellung des Widerlings Werner etwas zu sehr. Er kostet jede Ungustiosität so aus, dass sich mehr die Freude, die der Schauspieler an seiner Rolle hat, vermittelt, als die Not, die die Figur antreibt. Es wäre spannend gewesen, stattdessen einen Menschen mit Tiefe zu sehen. Silvia Meisterle ist als Kellnerin Jana sehr präsent und steckt voller Überraschungen und Lebendigkeit. Da sieht man gerne darüber hinweg, dass ihr Akzent wenig Tschechisches hat. Marcello De Nardo ("Peterchen") ist fast permanent auf der Bühne, beschäftigt mit Schminken und Tanzen. Er ist ein wahrer Verwandlungskünstler und eine rätselhafte Gestalt, deren Aufgabe erst im poetischen Schlussbild richtig klar wird.

 

Schauspielerischer Höhepunkt des Abends ist die Hochzeitsrede des kleinwüchsigen Bräutigams (Sascha Schicht). Wie er in aller Schlichtheit und mit ehrlicher Begeisterung erzählt, dass er durch die Liebe seiner Frau (Andrea Mühlbacher) körperlich gewachsen ist, ist nicht nur poetisch, sondern auch mitreißend und bleibt in lebhafter Erinnerung.

 

Kahler Raum

Das Bühnenbild von Regisseur Kubelka zeigt einen kahlen Ort, schwarze Wände, ein paar Tische und Sessel. Immer wieder schließen sich die Wände zum Bühnenumbau und ein subtiler Einsatz der Drehbühne erinnert an ein Karussell. Doch das Bühnenbild nimmt die für das Stück so wichtige Aussichtslosigkeit des Ortes vorweg. Ein Aspekt, bei dem es äußerst spannend gewesen wäre, ihn erst im Laufe des Abends zu entdecken.

 

Peter Turrini spart in seinem klassischen Konversationsstück über das Altwerden nicht an Wort – und Altherrenwitzen, sodass der Abend bei aller Schwere durchaus pointenreiche Passagen bereithält. Seine Figuren provozieren, er lässt kaum ein aktuell relevantes Thema aus und bleibt in den Dialogen dennoch streckenweise oberflächlich.

 

Fazit

Ein unterhaltsames Konversationsstück mit einigen Längen und viel Schwere, gespickt mit pointenreichen Passagen und theatralisch-poetischen Bildern.

 

Autorin: J.S.

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